EDITORIAL
LIEBE LESERINNEN UND LESER
Das vergangene Jahr war für das SKMR besonders im Hinblick auf die Schaffung einer Nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI) von entscheidender Bedeutung.
Der Bundesrat hat am 29. Juni 2016 beschlossen, eine gesetzliche Grundlage für eine NMRI zu schaffen. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) wurden mit der Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage beauftragt. Diese soll im Juni 2017 vorliegen. Der Bundesrat schlägt eine Institution mit universitärer Verankerung und einer Grundfinanzierung durch den Bund mit einer jährlichen finanziellen Unterstützung von 1 Mio. CHF vor. Zu diesem Entscheid kam es massgeblich aufgrund der positiven Evaluationsergebnisse des SKMR. Es freut uns sehr, dass das SKMR den Bedarf und Nutzen einer künftigen NMRI aufzeigen konnte. Ein erster wichtiger Schritt ist damit getan.
Unabhängige Menschenrechtsinstitution als Herausforderung
Die Vernehmlassung und das hoffentlich bald darauf folgende parlamentarische Verfahren werden zeigen, ob auch die Interessenverbände und die Mehrheit der Politikerinnen und Politiker die Ansicht des Bundesrats teilen, und ob es gelingt, diese neue Institution entsprechend den Vorgaben der sogenannten Pariser Prinzipien zu errichten. Diese von der UNO-Generalversammlung verabschiedeten Prinzipien verlangen neben einer gesetzlichen Grundlage und einem umfassenden Mandat zum Schutz der Menschenrechte auch die finanzielle und organisatorische Unabhängigkeit einer solchen Institution und eine möglichst breit abgestützte Trägerschaft.
Obwohl NMRI mittlerweile in den meisten europäischen Staaten eine unbestrittene Realität darstellen, erscheint die Erreichung dieses Ziels in der Schweiz gegenwärtig aber noch keinesfalls als gesichert: In einer Zeit, in der international verbriefte Menschenrechte weltweit — was bekanntlich auch die nationale Ebene beinhaltet — politisch stark unter Druck stehen, bedarf es weiterhin grosser Anstrengungen aller interessierten Akteure der Politik und der Zivilgesellschaft, um dieses Ziel nach mittlerweile Jahrzehnten der Vorarbeiten zu erreichen.
Vier-Säulen-Modell
Die Arbeit des SKMR stützt sich seit 2016 auf folgende vier Säulen:
- Schwerpunkte mit einer längerfristigen inhaltlichen Fokussierung
- Weitere einzelne Aufträge im Rahmen der Grundfinanzierung
- Aktivitäten und Informationen zu den Berichterstattungsverfahren der Schweiz vor UNO-Menschenrechtsorganen
- Zusätzliche Mandate von Behörden, Wirtschaft oder NGOs

Auch in den kommenden Jahren wird das SKMR vor allem ein Dienstleistungszentrum sein. Als solches soll es seine menschenrechtliche Expertise weiterhin den Behörden auf Bundes- und kantonaler Ebene, aber auch der Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft zur Verfügung stellen und eine wichtige Diskussionsplattform bieten. In der Erfüllung dieser Funktion sehen wir denn auch unseren wichtigsten Beitrag in den kommenden Diskussionen um die Errichtung einer NMRI.
Neue strategische Ausrichtung
Das SKMR gestaltet sein Arbeitsprogramm seit 2016 nach einem Vier-Säulen-Modell (vgl. oberen Kasten). Diese neue Strategie ermöglicht es unter anderem, einzelne Themen über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren vertieft zu behandeln. Entsprechend werden die bisherigen drei Schwerpunkte «Freiheitsbeschränkung und Freiheitsentzug», «Zugang zur Justiz» sowie «Rechte besonders verletzlicher Gruppen in der Praxis» auch 2017 weiter bearbeitet. Dabei soll etwa die Frage der Menschenrechte älterer Personen im Allgemeinen und ihre Situation in Pflegeeinrichtungen im Besonderen untersucht werden. Zusätzlich planen wir, den neuen Schwerpunkt mit dem vorläufigen Arbeitstitel «Menschenrechte im Arbeitsleben» zu entwickeln. Die Schwerpunkte weisen nicht nur einen grossen Klärungsbedarf auf, sondern sie verdeutlichen überdies in exemplarischer Weise den (potenziellen) Nutzen einer menschenrechtsbasierten Normenordnung für uns alle.
Jahresbericht in neuem Gewand
Das SKMR freut sich, Ihnen das neue Online-Format für seinen Jahresbericht zu präsentieren. Der Online-Jahresbericht sollte in erster Linie die Herstellungskosten senken und den Papierverbrauch verringern. Das Internet ermöglicht jedoch neue Wege. So ist der vorliegende Jahresbericht nicht nur eine digitale Abbildung des früheren Printprodukts, sondern durch seine Konzeption als Website mit eigens dafür entwickelter Navigationsstruktur und zahlreichen Verlinkungen besonders leserfreundlich geworden. Das SKMR hofft, damit den Bedürfnissen unserer immer mobileren Leserschaft entgegenzukommen. Ich wünsche Ihnen eine angenehme und informative Lektüre.
Jörg Künzli
Direktor SKMR
Das Pilotprojekt SKMR
Die Entstehung des SKMR geht auf die Forderung von 100 Nicht-Regierungs-Organisationen, Gewerkschaften, kirchlichen Institutionen und Persönlichkeiten im Sommer 2001 zurück, welche die Schaffung einer Nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI) in der Schweiz verlangten. Es folgten im Dezember 2001 die parlamentarischen Initiativen von Vreni Müller-Hemmi im Nationalrat und Eugen David im Ständerat zur Schaffung einer «Eidgenössischen Kommission für Menschenrechte». Der Bundesrat entschied am 1. Juli 2009, ein universitäres Dienstleistungszentrum als zeitlich beschränktes Pilotprojekt zu schaffen.
Das SKMR wurde im Mai 2011 eröffnet. Auf der Grundlage der im April 2015 abgeschlossenen externen Evaluation des SKMR entschied der Bundesrat am 1. Juli 2015, das Mandat des SKMR zu verlängern bis eine Nachfolgeorganisation errichtet ist, jedoch für maximal fünf Jahre. Am 29. Juni 2016 beauftragte der Bundesrat das EDA und das EJPD mit der Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage bis Juni 2017.
Nationale Menschenrechtsinstitution
Eine Nationale Menschenrechtsinstitution (NMRI) muss gemäss den Pariser Prinzipien der UNO folgende Vorgaben erfüllen:
- gesetzliche Grundlage;
- umfassendes Mandat sowie entsprechende Befugnisse zur Förderung und zum Schutz aller Menschenrechte;
- institutionelle und faktische Unabhängigkeit von der Regierung;
- pluralistische Vertretung der gesellschaftlichen Kräfte;
- ausreichende Infrastruktur und Finanzierung.
Das SKMR erfüllt diese Kriterien nicht. Das Zentrum wird nur auf Mandat hin aktiv und verfügt über keine gesetzliche Grundlage oder eigene Rechtspersönlichkeit. Damit fehlt es an der erforderlichen Unabhängigkeit.
In Europa gibt es heute 36 NMRI, welche die Pariser Prinzipien vollständig oder teilweise erfüllen. Weltweit existieren 107 NMRI (Stand: 24. Januar 2017). Die Ausgestaltung dieser Institutionen ist sehr unterschiedlich.